Quantcast
Channel: Wortladen.com
Viewing all articles
Browse latest Browse all 70

Geschichte erzählt, geklappt!

$
0
0

Es ist, wie es immer ist: Himmelfahrt fällt auf einen Donnerstag, der Freitag ist ein Brückentag. Es arbeiten nur diejenigen, die das unbedingt müssen. Und genau für diesen Freitag soll ich einen Augenarzttermin für meinen Sohn vereinbaren. Seine Bindehautentzündung ist immer noch nicht ganz weg, dafür ist die Klassenfahrt am Montag darauf greifbar nah. Aber eben nur, wenn ich einen Augenarzt just an diesem Brückenfreitag finde, der ihm das Okay gibt. Erwähnte ich bereits, dass wir keine Stammpatienten bei einem Augenarzt sind? Beste Voraussetzungen also, um drei Tage vorher bei einem Facharzt einen Termin zu bekommen, auf den ich sonst gut und gerne vier Wochen warten muss.

Nun bin ich Texterin, meine Brötchen verdiene ich mit Worten. Warum nicht mein Wissen im Alltag verwenden, Stichwort „Storytelling“*. Ich tue, was ich auch bei der Arbeit tue: nachdenken, strukturieren, zielgruppengerecht Worte finden, ausführen. Oder konkret:

a) mir ein Konzept überlegen,
b) die Zielgruppe bedenken,
c) Worte in meinem Kopf zurechtlegen,
d) ran an den Telefonhörer!

Mein kleiner Sohn hatte eine Bindehautentzündung, leider ist sie noch nicht ganz abgeklungen und nächste Woche möchte er mit auf die Klassenfahrt. Sie wissen ja, was das für Kinder bedeutet, er freut sich schon so.

Unsere Kinderärztin meinte, ich solle mit ihm am Freitag zu einem Augenarzt gehen, der ihm bestätigt, dass er nicht mehr ansteckend ist. Nur dann kann er mit.

Ich weiß, das ist der Brückentag und wir sind keine Patienten bei Ihnen. Wäre nicht da die Klassenfahrt … Könnten Sie es irgendwie einrichten, hätten Sie einen Termin für ihn? Das wäre so toll!

Geht das Konzept auf?

Zweimal telefonierte ich an jenem Dienstag, danach hatte ich einen Termin für den Freitag und einmal die Option, am Montag ganz früh vor der Abfahrt vorbeizukommen.

Schauen wir uns das Gespräch einmal genauer an:
Zunächst überlegte ich mir, mit wem ich telefonieren würde: einer Arzthelferin, also einer Frau, die vielleicht selbst Mutter ist. Deshalb habe ich die Worte „mein kleiner Sohn“ direkt an den Anfang gesetzt. Der Begriff „Klassenfahrt“ folgt recht früh und wird am Ende wiederholt. Wäre ich die Arzthelferin, so mein Gedanke, wollte ich nicht daran schuld sein, dass ein kleiner Junge nicht mit auf die Klassenfahrt gehen kann.

Ich gebe genügend Informationen, zeige, dass ich mich kümmere („unsere Kinderärztin“) und deute auch an, dass wir nicht allzu viel Zeit benötigen werden. Im letzten Teil thematisiere ich direkt die Problematik, um sie so zu entschärfen: „Brückentag“, „keine Patienten bei Ihnen“.

Mein Konzept ging auf, wahrscheinlich auch wegen der zielgruppengerechten Ansprache. Hätte ich mit einem männlichen Gesprächspartner gerechnet, hätte ich mir einen anderen Ansatz überlegt.

Erzählen Sie doch auch mal eine Geschichte!

Warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle? Ich möchte Sie auffordern, Ihre Botschaft in eine Geschichte zu verpacken. Malen Sie mit Worten Bilder, die bei Ihrem Gegenüber Gefühle auslösen. Ersinnen Sie einen Helden, einen Konflikt (das fehlt hier in meinem kleinen Beispiel) und lösen Sie dann Ihre Geschichte gut auf. So bleiben Sie und Ihre Botschaft im Gedächtnis – wenn Sie möchten, helfe ich Ihnen dabei, melden Sie sich einfach bei mir.

Eines noch: Bleiben Sie dabei echt. Ich bin sicher, man hätte mir angehört, wenn ich mir diese Geschichte aus den Fingern gesogen hätte. Und natürlich war es, wie es glücklicherweise oft ist: Mein Sohn war nicht mehr ansteckend, er durfte mit zur Klassenfahrt, uff!

*„Storytelling ist eine Erzählmethode, mit der komplexes Wissen in eine emotionale und verständliche Form gebracht wird. Die Basis dieser Methode ist eine bildhafte Sprache. Die Spannbreite reicht von einer einzelnen Metapher bis zu einer ganzen Geschichte. Im Vergleich zu abstrakten Darstellungen hat Storytelling den Vorteil, stärker im Gedächtnis zu bleiben. In Unternehmen hilft Storytelling dabei, Informationen zu vermitteln, Lösungen aufzuzeigen sowie Traditionen und Werte zu verdeutlichen.“

Dieses Zitat stammt aus dem wunderbaren Buch: „Text sells. Wie Sie Texte schreiben, die wirken. Wie Sie Unternehmen und Marken durch Sprache Profil geben.“ Geschrieben haben es: Armin Reins, Veronika Classen, Géza Czopf, erschienen ist es im verlag hermann schmidt: Mainz, 2015.

Der Beitrag Geschichte erzählt, geklappt! erschien zuerst auf Wortladen.com.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 70